Heute habe ich die große Freude, dir Arjuna Nathschläger vorstellen zu dürfen. Er beantwortet die Frage: Was ist Meditation? Eine Frage, die schon viele Meister vor ihm beschäftigt hat.
Arjuna ist Gründer der Yogaakademie Austria, einer Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen dabei zu helfen, die Kraft und die Tiefe des Yoga kennenzulernen und das auch weiterzugeben.
Die Yogaakademie Austria bietet in ihrem Angebot auch eine Ausbildung zum Meditationslehrer an.
Mehr zu Arjuna Nathschläger und der Yogaakademie Austria findest du auf deren Homepage: www.yogaakademieaustria.com.
Dieser Artikel ist Teil meiner Serie „Meditation in Österreich“. In dieser Reihe stelle ich verschiedene Personen und Einrichtungen in Österreich vor, die Meditation lehren, anbieten oder eng damit verbunden sind.
Inhaltsverzeichnis
Meditation – eine Einführung
Was ist Meditation
Eine Definition
Training des Geistes
Der Vierte
Entspannung und Öffnung
Göttliche Wonne
Mehr von Arjuna Nathschläger und der Yogaakademie Austria
Meditation – eine Einführung
Spirituelle Suchende haben schon seit mehreren tausend Jahren den Wert und die wunderbaren Wirkungen der Meditation ergründet und erfahren – Meditation ist in den meisten, wenn nicht allen spirituellen Traditionen der Welt von zentraler Bedeutung. Auf der Ebene des alltäglichen Lebens jedoch wird das Potential der Meditation nur sehr sporadisch genutzt – es bleibt, bis auf wenige Ausnahmen, dem Bereich der Esoterik, der alternativen und „spirituellen Szene“ vorbehalten. Dabei hätte die Meditation das Potential, einen unglaublichen Wandel auf allen Ebenen, in allen Lebensbereichen der Menschen hervorzubringen – diese Bedeutung regelmäßiger Meditationspraxis, die jedem einzelnen Menschen empfohlen werden kann, wird generell noch viel zu wenig erkannt. So wird die Meditation beispielsweise in den Bereichen Erziehung, Medizin und Gesundheit, Wirtschaft und Politik nur sehr zögernd eingesetzt, wenn überhaupt. Unsere Welt ist so von Aktivität, von der „Religion“ der Objektivität und Messbarkeit durchdrungen, dass es in den genannten Bereichen einer Revolution gleich käme, würde man etwas, das wie die Meditation dem „Nicht-Tun“ und der subjektiven Erfahrung Raum geben wolle, einführen. Doch ist es kaum zu ermessen, wie positiv sich ein Wandel dieser Einstellung auf die Welt auswirken würde, wenn Gebet und Meditation aus der Ecke der Esoteriker und der „Feierabend-Spiritualität“ herausgeholt und mitten in die verschiedenen Bereiche des alltäglichen Lebens integriert würde!
Wir leben in einer Zeit, in der auf den unterschiedlichsten Ebenen des Lebens große Herausforderungen und Veränderungen entstehen. Viele Menschen sind verunsichert und suchen nach Auswegen und neuen Lösungen. Die bisher verbreitet gelebten Paradigmen des menschlichen Lebens stoßen an ihre Grenzen – wir erkennen zunehmend, dass eine Gesellschaft, die auf Gier und Macht, auf Kontrolle und Kampf, auf Unterdrückung und Ausbeutung beruht, keine Zukunft hat. So beginnt sich dieses Paradigma aufzulösen und neuen spirituellen, humanen Werten Platz zu machen. Ich denke, dass wir uns gerade mitten in einem globalen Prozess des Umdenkens, der Neuorientierung befinden. Die Meditation kann diese Neuorientierung wirksam unterstützen, kann der nach außen gerichteten Tendenz des Lebens eine sammelnde, zentrierende, nach innen gerichtete Bewegung gegenüberstellen, sie kann in uns die Achtsamkeit und Empfänglichkeit für ein neues Bewusstsein erzeugen, das die Menschheit so dringend braucht und das in vielen Menschen bereits zu keimen begonnen hat.
Was ist Meditation?
Für die Reise nach innen brauchst du ein Fahrzeug.
Dieses Fahrzeug ist die Meditation.– Swami Satyananda
Wir werden hier einige Definitionen und Gedankenansätze betrachten, die uns in ihrer Gesamtheit helfen mögen, ein Bild und grundlegendes Verstehen zu erhalten, was die Meditation ist und was in der Meditation geschieht.
Eine Definition
Beginnen wir mit einer Begriffsdefinition: Meditation bedeutet „Ausrichtung zur Mitte“ (lat. medius). Das trifft den Punkt sehr gut – ausrichten bedeutet Einstimmen, Energien, die sich zerstreuen, zu sammeln und auf einen Punkt, eine Sache zu richten (was ein Hinweis auf den im Zusammenhang mit der Meditation bedeutsamen Vorgang der Konzentration ist). Dass wir uns in der Meditation zu unserer Mitte hin ausrichten, spricht eine Tendenz des Geistes an, nämlich die, sich bevorzugt nach außen zu wenden. Dieser Tendenz wirkt die Meditation entgegen und führt uns damit an den Quell unseres Seins und unserer Kraft. Der Geist, der Gedankenfluss wird, ähnlich Wasser, das in einen Kanal geleitet wird, in eine bestimmte Bahn, in eine Richtung gelenkt: Hin zu unserer Mitte.
Wir können damit – und dies ist nur eine der möglichen Definitionen – die Meditation als einen Vorgang des Sich-Einstimmens und Ausrichtens auf die kosmische oder göttliche Kraft beschreiben.
Der Yoga-Meister Swami Rama (1925 – 1996) hat Meditation wie folgt definiert und beschrieben:
Meditation ist eine spezifische Technik des „Ruhen-Lassens“ des Geistes, um einen Bewusstseinszustand zu erreichen, der sich grundlegend vom normalen Wachzustand unterscheidet. In der Meditation bist du vollkommen wach und aufmerksam, aber dein Geist ist nicht auf die Außenwelt und die Dinge, die in ihr stattfinden, gerichtet. Dein Geist ist auch nicht im Schlafzustand, und er träumt und phantasiert auch nicht. Dein Geist ist stattdessen klar, entspannt und nach innen gerichtet. Meditation erfordert eine Art innerer Aufmerksamkeit, die still und konzentriert und gleichzeitig entspannt ist.
– Swami Rama
Training des Geistes
Der Geist ist, ebenso wie der Körper, die Energie und die Sinne, ein Instrument des Menschen, das ihm hilft, sich in der Welt zu bewegen, sich zurecht zu finden und sich auszudrücken. Doch während der Körper oft systematischem Training unterzogen wird, beschränkt man die Arbeit an unserem „Geist-Instrument“ zumeist darauf, sich lediglich Wissen anzueignen, statt die Bewegung und Funktion des Geistes selbst zu trainieren und die Klarheit des Denkens zu verbessern.
Wer einmal nur einige Minuten seinen Geist und die auftauchenden und sich wandelnden Gedanken, Bilder, Urteile, Emotionen usw. beobachtet hat, all die oft diffusen Inhalte, Wortfetzen, Bilder, ähnlich einem Hintergrundrauschen, der mag ermessen können, was hier eine Übung zu bewirken vermag, die, wie die buddhistische Nonne und Meditationslehrerin Ayya Khema es ausdrückt, „im Geist aufräumt, damit er nicht länger aussieht wie eine Baustelle“. In diesem Durcheinander der ständigen geistigen Bewegungen, die oft nutzlos, sinnlos, ja destruktiv sind, Ordnung zu schaffen, ist eine Notwendigkeit, sodass der menschliche Geist so funktionieren kann, wie er ursprünglich gemeint war: Stellen wir uns vor, wie dieses wunderbare Hochleistungsinstrument „Geist“ funktionieren könnte, wenn hier nur Ordnung, Klarheit und Ruhe herrschen würde! Die Meditation ist das Werkzeug, das im Geist systematisch Ordnung, Klarheit und Ruhe schafft.
Stille des Geistes
Stille ist die Sprache Gottes.
Meditation ist, dieser Sprache zu lauschen.
Der Weise Patanjali lebte vor etwa 1900 Jahren; er wird allgemein als der Begründer des Raja Yoga angesehen. Von ihm stammen die Yoga-Sutras, die wohl meistkommentierte Schrift der orthodoxen Sanskrit-Literatur. Patanjali hat eine Definition für Yoga formuliert, die uns einen guten Einblick in das Wesen der Meditation geben kann. Er sagte, dass Yoga, die Erfahrung der Einheit und Ganzheit, ein Zustand sei, der entsteht, wenn der Geist völlig ruhig geworden ist (Patanjali Yoga Sutra 1,2). In unserem Zusammenhang können wir die Meditation als jene Übung sehen, die den Geist zu dieser Stille führt. Damit können wir eine weitere Definition für Meditation ableiten:
Meditation ist die Übung, den Geist zur Stille zu führen.
Der Grund für dieses Streben nach Stille ist, dass die vielen Gedanken, Eindrücke, Emotionen und Wahrnehmungen, die unseren Geist bewegen, uns davon abhalten, unser inneres, göttliches Wesen zu erkennen und zu erfahren.
Es gibt eine Geschichte, die das sehr schön illustriert:
Ein Mönch hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um sich ganz der Meditation und dem Gebet widmen zu können. Er wurde von einem Besucher gefragt, welchen Sinn er in der Zurückgezogenheit und der Stille sehe.
Der Mönch führte den Besucher zu der Zisterne und sagte: „Schau auf das Wasser. Was siehst du?“ Es war kurz vorher Wasser geschöpft worden und die Wasseroberfläche war noch unruhig. „Ich sehe nichts.“ sagte der Besucher.
Ein paar Minuten später bat der Mönch seinen Besucher, nochmals hinunter zu sehen. Die Wasseroberfläche war inzwischen ruhig geworden. „Was siehst du jetzt?“ „Jetzt sehe ich mich selbst.“ sagte der Besucher, der sein Spiegelbild im Wasser sah. Der Mönch nickte lächelnd.
Die Aufgabe der Meditation ist es, den Geist so still wie jene Wasseroberfläche werden zu lassen, sodass der Mensch sein eigenes innerstes Wesen erkennen kann.
Der Vierte
Die Yoga-Philosophie beschreibt drei Zustände, in denen sich der Geist befinden kann: Der erste ist der Wachzustand, in dem der Geist bewusst und bewegt ist; im zweiten, dem Traumzustand, ist er unbewusst und bewegt, und im dritten Zustand, im Tiefschlaf, ist er unbewusst und still. Es lag nahe, die Existenz eines Geisteszustandes anzunehmen und anzustreben, der jene beiden Eigenschaften verbindet, die in den genannten Zuständen noch nicht gemeinsam aufgetreten waren: Die Bewusstheit und die Stille. Diesen Zustand gibt es tatsächlich; man nennt ihn „der Vierte“; es ist der meditative Zustand.
Hier ist ein Überblick der vier Geisteszustände:
- Wachzustand: Geist ist bewegt, bewusster Zustand
- Traum: Geist ist bewegt, unbewusster Zustand
- Tiefschlaf: stiller Geist, unbewusster Zustand
- Meditation: stiller Geist, bewusster Zustand
Normalerweise bewegt sich der Geist in den „Programmen 1 bis 3“; ein anderer Zustand ist ihm unbekannt. Durch die Übung der Meditation wird der Geist trainiert, sich in einer neuen Weise zu bewegen, sozusagen ein „neues Programm zu laden“. Erst mit diesem „vierten Programm“ des Geistes beginnen wir, unser menschliches Potential voll auszuschöpfen, denn dieser Zustand des Geistes ist das „Auf Empfang Schalten“ des Menschen für die kosmische Energie; er öffnet das Tor für die göttliche Liebe, für Inspiration, Kraft und Heilung.
Entspannung und Öffnung
Der Alltag mit seinen Tätigkeiten, Gedanken und Emotionen, mit Wünschen, Zielen, Abneigungen, Schmerzen und Ängsten ist vergleichbar einem Kontrahieren des Pranakörpers. Dieses Zusammenziehen bewirkt ein oft dauerhaftes Blockieren der Lebensenergie und in der Folge Stress, Ängste und Krankheiten.
Um den Menschen zu Harmonie, Gesundheit und Freude zu führen, ist eine entgegengesetzte Kraft erforderlich, die öffnend, weitend und lösend wirkt. Diese Kraft ist die Meditation.
Göttliche Wonne
Einst diskutierten die Götter, wo sie ihr göttliches Erbe, die höchste Freude und tiefen Frieden, vor den Menschen verbergen konnten. Einer war für den höchsten Berg, ein anderer für die tiefste Stelle im Meer – schließlich einigte man sich auf ein geniales Versteck: Man versteckte das göttliche Erbe im Menschen selbst.
Tief im Menschen verborgen ist der Quell göttlicher Freude. Eine Freude, die immer da ist, die von nichts abhängig ist als von unserer Bereitschaft, uns ihr zu öffnen. Der Mensch sucht ständig nach dieser Freude, und vergeblich sucht er sie in den Dingen der äußeren Welt. Es gibt jedoch einen Schlüssel, der uns das Tor zu dieser tief in uns selbst befindlichen Wonne öffnet. Dieser Schlüssel heißt Meditation.
Mehr von Arjuna Nathschläger und der Yoga Akademie Austria
Arjuna Paul Nathschläger gründete und leitet die Yoga-Akademie Austria. Er lehrt Yoga seit 25 Jahren und bildet auch Yogalehrer aus. Arjuna ist der Autor mehrerer Bücher über Yoga und Meditation.
Die Yogaakademie Österreich bietet auch Meditation und die Ausbildung zum Meditationslehrer an. Das Angebot der Yogaakademie Austria findest du hier: www.yogaakademieaustria.com
Es hat mich sehr gefreut
Lieber Arjuna. Es hat mich sehr gefreut, dass du dein Wissen mit uns geteilt hast! Ich hoffe, ich darf einmal an einer deiner Ausbildungen für Meditationslehrer teilnehmen (man lernt nie aus).
Danke, dass ich ein Stück deines Weges mit dir gehen durfte,
Christoph
PS.:
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Quellennachweis
Der obige Text ist ein Auszug aus dem „Handbuch Meditation“ von Arjuna Nathschläger mit der Genehmigung des Autors.
Zu finden unter: https://www.yogaakademieaustria.com/bibliothek/yoga-b%C3%BCcher/handbuch-meditation/
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